Das erste Programm der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG) von 1892
"Der Krieg steht im Widerspruch mit der heutigen Kulturstufe zivilisierter Nationen. Seine Beseitigung ist vom Standpunkt der Religion, der Sittlichkeit und der Volkswohlfahrt gleichmäßig geboten. Der Krieg ist nicht einmal ein notwendiges Übel, da internationale Streitigkeiten erfahrungsgemäß auf friedlichem Wege gerechter beigelegt werden können. Daher gebietet nicht nur die allgemein menschliche, sondern auch im höchsten Grade patriotische Pflicht, zur Verhütung des Krieges mit seinen unabsehbaren Folgen alle Kraft einzusetzen.
Eine seiner Hauptwurzeln hat der Krieg in dem altbabarischen Fremdenhass stammenden Vorurteilen und Leidenschaften. In Wahrheit aber bilden die verschiedenen Nationen nicht feindliche Gegensätze, sondern einander ergänzende und fördernde Glieder der Gesamt-Menschheit, ihre wirkliche und dauernde Interessen sind demnach solidarisch. Diese grundlegende Erkenntnis gilt es hauptsächlich zu verbreiten durch die Erziehung in Haus und Schule, durch Literatur und Presse, Versammlungen und Vereine, durch die Volksvertretungen, durch möglichst ungehemmten Verkehr, durch Schutz der friedfertigen Ausländer, durch internationale Kongresse, Konventionen und Anstalten aller Art, wissenschaftlich, wie praktische, staatliche, wie private. Je mannigfaltiger und inniger die Beziehungen zwischen den Völkern sich gestalten, desto mehr wird Abneigung sich in Anerkennung und Freundschaft verwandeln.
Mit der friedlichen Gesinnung zugleich sind Friedensinstitutionen anzubahnen, deren Ziel es ist, auch in dem Verhältnis zwischen den Nationen anstelle der Gewalt das Recht zu setzen. Das Hauptmittel hierzu bildet das internationale Schiedsgerichtssystem. Beginnend mit Schiedsrichtern für den einzelnen Fall, wie sie sich bereits vielfach bewährt haben, fortschreitend zu dauerhaften Schiedsgerichtsverträgen, wird dieses System gekrönt werden durch die Errichtung eines ständigen internationalen Schiedsgerichtshofes, welchem die Staaten unter Wahrung ihrer Unabhängigkeit und Selbstständigkeit sich freiwillig anschließen.
Eine bittere Frucht des bisherigen Zustandes ist der sogenannte bewaffnete Friede, in Wahrheit ein schlechter Krieg, der durch fortwährendes gegenseitiges und daher nutzloses Wettrüsten am Mark der Völker zehrt und die Beseitigung sozialer Missstände und die Erfüllung der notwendigen Kulturaufgaben in hohem Grade erschwert. Als notwendige Folge zunehmender innerer und äußerer Friedfertigkeit wird sich eine allmählich möglichst gleichmäßige Verminderung der Rüstung aller Staaten ergeben, wodurch die erdrückenden Lasten erleichtert und die Gefahren vernichtender Völkerkriege abgewendet werden. Zur Förderung all' dieser hohen Aufgaben hat sich in wesentlicher Übereinstimmung mit den Friedensvereinen aller Kulturländer im Jahre 1892, auf dem Boden des geeinten Deutschen Reiches stehend, die Deutsche Friedensgesellschaft gebildet und über alle Gaue verbreitet. Alle, die zum Heile des teuren Vaterlandes und der Menschheit der hehren Friedenssache dienen wollen, können dies nicht wirksamer tun, als indem sie ohne Unterschied des Geschlechts, des Standes, des Glaubens und der Partei der Deutschen Friedensgesellschaft persönlich beitreten und ihr immer neue Freunde werben."
Dieses über 130 Jahre alte Programm hat leider an Aktualität nichts eingebüßt. Im Gegenteil: Seit dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 gilt es heute mehr denn je. Dass dies in weiteren 100 Jahren nicht mehr gesagt werden kann – dafür setzt sich die Iffug ein.